Das Zeltlager / Bibi & Tina Bd.10
Bei der Alten Mühle wird ein Zeltlager für Ferienkinder aufgeschlagen. Bibi und Tina helfen Frau Martin bei der Verpflegung und sorgen mit einer gruseligen Überraschung für die Unterhaltung der Kinder. Doch der Leiter des Lagers, Paul Pingel, versteht...
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Produktinformationen zu „Das Zeltlager / Bibi & Tina Bd.10 “
Klappentext zu „Das Zeltlager / Bibi & Tina Bd.10 “
Bei der Alten Mühle wird ein Zeltlager für Ferienkinder aufgeschlagen. Bibi und Tina helfen Frau Martin bei der Verpflegung und sorgen mit einer gruseligen Überraschung für die Unterhaltung der Kinder. Doch der Leiter des Lagers, Paul Pingel, versteht keinen Spaß. Bis Bibi mit einem Hexspruch eingreift!
Lese-Probe zu „Das Zeltlager / Bibi & Tina Bd.10 “
Bibi und Tina – Das Zeltlager von Theo Schwartz Wie alles anfing ...
Eine knappe Reitstunde von dem Dörfchen Falkenstein entfernt liegt der Martinshof. Frau Martin, die hier mit ihren Kindern Holger und Tina lebt, hat den Hof von dem Grafen Falko von Falkenstein gepachtet. Das Schloss des Grafen liegt zwischen hohen Tannen versteckt, vom Martinshof aus sind seine Türme zu sehen.
Der Martinshof ist ein Reiterhof. Hier gibt der achtzehnjährige Holger Stadtkindern Reitunterricht und kümmert sich um alle anfallenden Arbeiten. Er ist der „Mann fürs Grobe“, während seine Schwester Tina ihrer Mutter im Haushalt hilft. Tina ist vierzehn Jahre alt und hat eine sehr, sehr gute Freundin: Bibi Blocksberg, die kleine Hexe aus Neustadt.
Das Dorf Falkenstein ist von Neustadt aus mit dem Bummelzug zu erreichen, aber Bibi kommt lieber auf ihrem Hexenbesen Kartoffelbrei angereist. Eine Hexe hat schließlich auch ihren Stolz!
Jeden freien Tag, jede freie Woche ver- bringt Bibi auf dem Martinshof und in den Ferien darf sie mit Erlaubnis ihrer Eltern auch schon mal länger bleiben. Barbara Blocksberg, die große Hexe, ist häufig auf irgendwelchen Hexenkongressen zu Gast und Bernhard Blocksberg ist dann „Strohwitwer“ und macht es sich mit einem spannenden Krimi in seinem Lieblingssessel gemütlich.
... mehr
Bibis Eltern wissen, dass ihre Tochter auf dem Martinshof gut aufgehoben ist. Für Bibi ist der Hof eine zweite Heimat geworden und jedes Mal vergießt sie beim Ab- schied bittere Tränen.
„Aber“, so tröstet Frau Martin sie immer, „wer nicht geht, kommt nicht wieder. Bis zum nächsten Mal, Bibi!“
Leider vergeht für Bibi die Zeit daheim viel zu langsam, aber auch eine kleine Hexe muss zur Schule gehen und das Jahr besteht nun mal nicht nur aus Ferien.
Doch irgendwann ist es endlich wieder einmal so weit. Hei! Die Schultasche fliegt in die Ecke, Bibi packt eilig zusammen, was sie für den Aufenthalt auf dem Martinshof braucht, verkleinert ihr Gepäck mit einem kurzen Hexspruch und steigt dann auf Kartoffelbrei.
„Eene meene Faschingsschwof, düse ab zum Martinshof! Hex-hex!“, befiehlt sie ihrem Besen und ab geht die Post!
Ist das eine Freude, wenn die beiden Mädchen sich wieder sehen! Ihr erster Weg führt Bibi in den Pferdestall zur Box von ihrer Lieblingsstute Sabrina. Im Nu hat sie Sabrina gesattelt, Tina macht den Hengst Amadeus ausrittbereit und dann ist ein Wettreiten angesagt. Ein Wettreiten? Nein, bei einem belassen es die Mädchen nicht, mindestens dreimal am Tag galoppieren sie über Wiesen und Wege und schmettern da- bei ihr Lied.
Sie haben es selbst komponiert und getextet und sind darauf mit Recht sehr stolz:
Hufe klappern, Pferde traben, springen übern Wassergraben, über Stock und über Stein,
wer kann das wohl sein?
Das sind Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina! Sie reiten im Wind, sie reiten geschwind,
weil sie Freunde sind!
Weil sie Freunde sind!
Und ist der Graben mal zu breit, für Bibi ist das keine Schwierigkeit! Aufgesessen, lang die Zügel, sattelfest den Fuß im Bügel, über Felder, über Weiden, jeder kennt die beiden!
Der pingelige Herr Pingel
Frau Martin saß am Küchentisch, der mit Formularen, Rechnungen und Quittungen übersät war, und rechnete. Halblaut murmelte sie vor sich hin, addierte Zahlen, multiplizierte, strich etwas durch und fügte hin und wieder etwas hinzu. Alle paar Minuten seufzte sie tief auf und sagte etwas, das wie „blödes Finanzamt, blödes!“ klang.
Da wurde hastig die Tür aufgerissen und zwei Mädchen kamen herein.
„Hallo, Mutti!“
„Hallo, Frau Martin!“
Die Pächterin des Martinshofes verdrehte gequält die Augen und legte den Stift zur Seite. „Hallo, Tina! Hallo, Bibi!“, erwiderte sie genervt und ein wenig mürrisch den Gruß der beiden Freundinnen. „Tut mir einen großen Gefallen und verschwindet nach draußen. Ich bin gerade bei der Steuererklärung und weiß nicht, wo mir der Kopf steht.“
„Okay, Mutti!“ Tina nahm Bibi am Arm und schob sie in Richtung Tür. „Wir machen uns schon dünne! Weißt du“, flüsterte sie Bibi ins Ohr, „wenn Mutti sich mit den Steuervorschriften herumärgern muss, dann ist mit ihr nicht gut Kirschen essen!“
„Allerdings!“, pflichtete ihr Frau Martin bei, die sehr gute Ohren hatte. „Darum schlage ich vor, ihr macht mit Amadeus und Sabrina einen Ausritt und lasst euch bis zum Mittagessen nicht mehr blicken.“
Na, das ließen sich Bibi und Tina nicht zweimal sagen. Sie sausten in die Sattelkammer, zogen ihre Reitsachen an und machten ihre Pferde ausrittbereit. Und schon ging es ab in Richtung Falkensteiner Forst! Dicht über die Hälse des Fuchses und der Schimmelstute gebeugt, lieferten sich die beiden eines ihrer zahllosen Wettreiten.
„Jipiii!“, jubelte Bibi. „Wir liegen vorn, Sabrina! Weiter so! Zeig mir, was du kannst, und zeig dem ollen Amadeus, dass Stuten schneller sind. Wir zwei Frauen müssen zusammenhalten!“
„Gar nicht wahr!“, protestierte Tina, die Bi- bi dicht auf den Fersen war. „Hengste sind schneller! Los, Amadeus, streng dich an!“
Aber es half nichts, sosehr Tina auch ihren Amadeus anfeuerte. Bibi auf Sabrina gewann das Rennen ganz klar um eine Pferdelänge.
„Toll, Bibi!“, musste Tina neidlos anerkennen. „Ich habe glatt gedacht, dass wir es schaffen würden. Du bist faul geworden, Alter“ – sie tätschelte Amadeus liebevoll den kräftigen Hals, – „streng dich beim nächsten Mal ein bisschen mehr an!“
Als ob er die Worte seiner Reiterin genau verstanden hätte, nickte Amadeus mit dem Kopf und wieherte laut.
„Tja!“ Bibi strahlte. „Meine Sabrina ist wieder topfit, sozusagen in Bestform. Ihr kleiner Felix ist ja auch kein Baby mehr, der kommt ohne seine Mami zurecht.“
„Doch, ja!“, sagte Tina. „Ein strammer junger Hengst ist er geworden. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass er ... Moment mall“ Sie hielt lauschend die Hand hinter ihr rechtes Ohr. „Hörst du das auch, Bibi?“
Bibi brachte Sabrina zum Stehen und spitzte ebenfalls die Ohren. „Klingt nach einem Dieselmotor, gar nicht weit weg.“
„Ist das am Ende wieder der Mühlenhofbauer?“ Tina machte ein finsteres Gesicht. „Der soll doch nicht mit seinem Traktor durch den Wald fahren.“
„Na, warte, wenn der hier auftaucht!“ Bibis Augen funkelten zornig. „Dem hexe ich was an den Hals, dass er ...“
Doch es war nicht der Bauer, der durch den Wald geknattert kam. Ein großer Lastwagen näherte sich schwankend und schaukelnd auf dem holprigen Waldweg.
„Komm!“, forderte Tina ihre Freundin auf. „Den bringen wir zum Halten. Wir stellen uns ihm in den Weg, dann kann er nicht weiterfahren.“
Die beiden Pferde scheuten zunächst ein wenig, aber dann ließen sie sich gehorsam von ihren Reiterinnen lenken. Der Weg war nun blockiert und der Lastwagen musste anhalten. Der Motor erstarb, die Fahrertür wurde aufgemacht und ein Mann stieg aus. Bibi und Tina fanden ihn auf Anhieb unsympathisch.
„Ihh!“, zischte Tina halblaut. „So ein Anzugtyp! Sieht aus wie unser Direktor von der Penne! Was will der denn hier?“
„Werden wir gleich erfahren!“, flüsterte Bibi zurück. Sie sollte recht behalten.
„Was fällt euch denn ein?“ Der Fremde trat ein paar Schritte auf die beiden Reite- rinnen zu. „Gebt sofort den Weg frei!“
„Hier dürfen keine Autos fahren!“, erwiderte Tina kühl.
„Genau!“, pflichtete ihr Bibi bei. „Die Straße ist dahinten.“ Sie deutete mit der Hand nach Westen. „Was wollen Sie eigentlich hier?“
„Frechen Gören gebe ich keine Auskunft!“, kam es brummig zurück. „Geht’s hier lang zur Mühle?“
„Kann sein, kann auch nicht sein!“, meinte Bibi schnippisch. „Frechen Erwachsenen geben wir keine Auskunft!“
„Was wollen Sie bei der Alten Mühle?“, fragte Tina. „Die ist doch bloß noch eine Ruine, weiter ist da nichts.“
„Da wird aber bald was sein.“ Der Fremde warf sich in die Brust. „Ein Zeltlager nämlich. Ein Zeltlager mit fünfundsiebzig Kindern, sieben Betreuern und mir. Gestatten! Paul Pingel, Lagerleiter!“
„Ist ja toll!“ Tina machte eine wegwerfende Handbewegung. „Toll für Sie, Herr Pingel! Autofahren ist trotzdem hier verboten!“
„Nein! Nicht für mich!“ Paul Pingel machte auf dem Absatz kehrt und nahm wieder auf dem Fahrersitz des Lastwagens Platz. „Ich darf hier fahren! Also, macht den Weg frei!“
Tja, da blieb den beiden Mädchen nichts anderes übrig, als ihre Pferde an den Straßenrand zu lenken und den unsympathischen Herrn Pingel seiner Wege fahren zu lassen .
„Na, warte!“, schimpfte ihm Bibi halblaut hinterher. „Dir hexe ich was an: Eene meene dunkle Schatten ...“
„Nicht! Halt!“, fiel ihr Tina ins Wort. „Lass die Hexerei, Bibi. Mach bloß keinen Mist! Entschuldigung! Beinahe hätte ich was gesagt. Wir handeln uns damit nur Ärger ein. Vielleicht hat der Typ ja eine Sondergenehmigung und darf wirklich mit seiner Kiste durch den Wald fahren.“
„Schade!“ Bibi verzog schmollend den Mund. „Ich hätte ihm so gern einen Platten angehext. Auf allen vier Rädern!“
„Heb dir deine Sprüche für eine passendere Gelegenheit auf“, schlug Tina vor. „Ich glaube, unser Herr Pingel ist in offizieller Mission unterwegs. Sein Lastwagen hat zum Rotenbrunner Fuhrpark gehört. Schätze, er hat was mit der Gemeindeverwaltung zu tun.“
„Und nun?“ Bibi schaute ratlos drein.
„Weißt du was? Wir reiten rüber zum Schloss Falkenstein“, schlug Tina vor, „und fragen Alex, ob das stimmt mit dem Zeltlager. Wenn die ganze Bande im Falkensteiner Forst campen will, dann wird Alex was drüber wissen. Seinem Vater gehört ja hier alles, der ganze Wald und auch die Mühle. Eigentlich“, setzte sie ein wenig beleidigt hinzu, „hätte Alex uns ja schon informieren können, oder?“
„Hätte er!“, pflichtete Bibi ihrer Freundin bei. „Also los, statten wir deinem adligen Freund einen Besuch ab!“
Nach einem kurzen, scharfen Ritt erreich- ten Bibi und Tina das Schloss der Familie von Falkenstein. Der junge Herr Graf war geschniegelt und frisch gekämmt und sah sehr stattlich aus. Bei seinem Anblick stieß Tina einen leisen Seufzer aus.
„Hallo, ihr beiden!“, begrüßte Alexander freundlich die Mädchen. „Soll ich wieder mal den Schiedsrichter spielen für eines eurer Wettreiten?“ Er grinste spitzbübisch und kratzte sich umständlich am Kopf. „Al- so, wenn ihr mich fragt ... Ihr seid beide gleichzeitig angekommen!“
„Ach“, winkte Tina ab, „zum Wettreiten ist uns im Moment die Lust vergangen.“
„Aber echt!“, fügte Bibi hinzu. „Wir sind gerade so einem zickigen Typ begegnet, der mit ’nem Laster über die Forstwege brettert. Er wollte zur Alten Mühle ...“
„Heißt Pingel und pingelig schaut er auch aus!“ Tina verdrehte die Augen. „Den haben wir einfach angehalten.“
„Er hat was von einem Riesenzeltlager er- zählt, das er veranstalten will. Der hat sie wohl nicht mehr alle!“ Bibi tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
„Moment mal, Bibi“, wandte Alex argwöhnisch ein, „du hast ihm doch nicht etwa was angehext?“
Bibi schüttelte den Kopf.
„Zum Glück!“ Alexander von Falkenstein atmete erleichtert auf. „Das wäre gar nicht gut gewesen. Mein Vater hat den LKW-Transport nämlich erlaubt. Mit Sondergenehmigung bringt der Laster Gruppenzelte zu der großen Lichtung bei der Alten Mühle.“
„Was?“, rief Tina empört. „ Zu der schönen, stillen Lichtung? Da, wo seltene Pflanzen und Blumen blühen, da wollen die Rotenbrunner ...? Ja, was sag ich denn da?“ Vor Empörung verschlug es ihr die Sprache.
„Also, nun mal langsam!“ Jetzt war es Alex, der sauer reagierte. „Jahrelang hacken die Leute auf meinem Vater herum, sagen, dass er ein alter Knacker und spießiger Knauser ist, und jetzt, wo er was für die Allgemeinheit tut, ist es auch wieder nicht recht. Ihr könnt auch bloß meckern! Immer meckern!“ Alex wandte sich verärgert ab, ging ein paar Schritte und gab einem Kieselstein so einen gewaltigen Tritt, dass er ein paar Meter durch die Luft schoss. So! Jetzt war ihm wohler.
„Mensch, Alex, überleg doch mal“, wandte Bibi ein, „wenn da fünfundsiebzig Kinder alles zertrampeln, durch den Wald toben, Tiere aufscheuchen, an Vogelnester gehen, Äste und Zweige abbrechen, vielleicht sogar Abfall in die Gegend schmeißen ...“
„Jetzt bleib mal auf dem Teppich!“, fuhr Alex die kleine Hexe an. „Du übertreibst! Das Lager wird ordentlich aufgebaut, es gibt Abfallbehälter für den Müll und ein Sanitärzelt ist auch da. Das wird für die Kinder bestimmt eine lustige Sache.“
„Na, die können mir jetzt schon leid tun bei dem Lagerleiter!“ Tina schaute angewidert. „Pingel! Herr Pingel aus Rotenbrunn! Komm, Bibi, reiten wir heim, das Mittagessen wartet!“
Wortlos wendete die Martinstochter ihren Hengst und trabte an. Bibi tat es ihr nach und grußlos verließen sie das Schloss Falkenstein.
„Weiber!“, entfuhr es Alexander. Dann seufzte er kurz auf und ging in den Schlosshof zu den Reitställen. Die Arbeit wartete.
© 2010 SchneiderBuch verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
„Aber“, so tröstet Frau Martin sie immer, „wer nicht geht, kommt nicht wieder. Bis zum nächsten Mal, Bibi!“
Leider vergeht für Bibi die Zeit daheim viel zu langsam, aber auch eine kleine Hexe muss zur Schule gehen und das Jahr besteht nun mal nicht nur aus Ferien.
Doch irgendwann ist es endlich wieder einmal so weit. Hei! Die Schultasche fliegt in die Ecke, Bibi packt eilig zusammen, was sie für den Aufenthalt auf dem Martinshof braucht, verkleinert ihr Gepäck mit einem kurzen Hexspruch und steigt dann auf Kartoffelbrei.
„Eene meene Faschingsschwof, düse ab zum Martinshof! Hex-hex!“, befiehlt sie ihrem Besen und ab geht die Post!
Ist das eine Freude, wenn die beiden Mädchen sich wieder sehen! Ihr erster Weg führt Bibi in den Pferdestall zur Box von ihrer Lieblingsstute Sabrina. Im Nu hat sie Sabrina gesattelt, Tina macht den Hengst Amadeus ausrittbereit und dann ist ein Wettreiten angesagt. Ein Wettreiten? Nein, bei einem belassen es die Mädchen nicht, mindestens dreimal am Tag galoppieren sie über Wiesen und Wege und schmettern da- bei ihr Lied.
Sie haben es selbst komponiert und getextet und sind darauf mit Recht sehr stolz:
Hufe klappern, Pferde traben, springen übern Wassergraben, über Stock und über Stein,
wer kann das wohl sein?
Das sind Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina! Sie reiten im Wind, sie reiten geschwind,
weil sie Freunde sind!
Weil sie Freunde sind!
Und ist der Graben mal zu breit, für Bibi ist das keine Schwierigkeit! Aufgesessen, lang die Zügel, sattelfest den Fuß im Bügel, über Felder, über Weiden, jeder kennt die beiden!
Der pingelige Herr Pingel
Frau Martin saß am Küchentisch, der mit Formularen, Rechnungen und Quittungen übersät war, und rechnete. Halblaut murmelte sie vor sich hin, addierte Zahlen, multiplizierte, strich etwas durch und fügte hin und wieder etwas hinzu. Alle paar Minuten seufzte sie tief auf und sagte etwas, das wie „blödes Finanzamt, blödes!“ klang.
Da wurde hastig die Tür aufgerissen und zwei Mädchen kamen herein.
„Hallo, Mutti!“
„Hallo, Frau Martin!“
Die Pächterin des Martinshofes verdrehte gequält die Augen und legte den Stift zur Seite. „Hallo, Tina! Hallo, Bibi!“, erwiderte sie genervt und ein wenig mürrisch den Gruß der beiden Freundinnen. „Tut mir einen großen Gefallen und verschwindet nach draußen. Ich bin gerade bei der Steuererklärung und weiß nicht, wo mir der Kopf steht.“
„Okay, Mutti!“ Tina nahm Bibi am Arm und schob sie in Richtung Tür. „Wir machen uns schon dünne! Weißt du“, flüsterte sie Bibi ins Ohr, „wenn Mutti sich mit den Steuervorschriften herumärgern muss, dann ist mit ihr nicht gut Kirschen essen!“
„Allerdings!“, pflichtete ihr Frau Martin bei, die sehr gute Ohren hatte. „Darum schlage ich vor, ihr macht mit Amadeus und Sabrina einen Ausritt und lasst euch bis zum Mittagessen nicht mehr blicken.“
Na, das ließen sich Bibi und Tina nicht zweimal sagen. Sie sausten in die Sattelkammer, zogen ihre Reitsachen an und machten ihre Pferde ausrittbereit. Und schon ging es ab in Richtung Falkensteiner Forst! Dicht über die Hälse des Fuchses und der Schimmelstute gebeugt, lieferten sich die beiden eines ihrer zahllosen Wettreiten.
„Jipiii!“, jubelte Bibi. „Wir liegen vorn, Sabrina! Weiter so! Zeig mir, was du kannst, und zeig dem ollen Amadeus, dass Stuten schneller sind. Wir zwei Frauen müssen zusammenhalten!“
„Gar nicht wahr!“, protestierte Tina, die Bi- bi dicht auf den Fersen war. „Hengste sind schneller! Los, Amadeus, streng dich an!“
Aber es half nichts, sosehr Tina auch ihren Amadeus anfeuerte. Bibi auf Sabrina gewann das Rennen ganz klar um eine Pferdelänge.
„Toll, Bibi!“, musste Tina neidlos anerkennen. „Ich habe glatt gedacht, dass wir es schaffen würden. Du bist faul geworden, Alter“ – sie tätschelte Amadeus liebevoll den kräftigen Hals, – „streng dich beim nächsten Mal ein bisschen mehr an!“
Als ob er die Worte seiner Reiterin genau verstanden hätte, nickte Amadeus mit dem Kopf und wieherte laut.
„Tja!“ Bibi strahlte. „Meine Sabrina ist wieder topfit, sozusagen in Bestform. Ihr kleiner Felix ist ja auch kein Baby mehr, der kommt ohne seine Mami zurecht.“
„Doch, ja!“, sagte Tina. „Ein strammer junger Hengst ist er geworden. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass er ... Moment mall“ Sie hielt lauschend die Hand hinter ihr rechtes Ohr. „Hörst du das auch, Bibi?“
Bibi brachte Sabrina zum Stehen und spitzte ebenfalls die Ohren. „Klingt nach einem Dieselmotor, gar nicht weit weg.“
„Ist das am Ende wieder der Mühlenhofbauer?“ Tina machte ein finsteres Gesicht. „Der soll doch nicht mit seinem Traktor durch den Wald fahren.“
„Na, warte, wenn der hier auftaucht!“ Bibis Augen funkelten zornig. „Dem hexe ich was an den Hals, dass er ...“
Doch es war nicht der Bauer, der durch den Wald geknattert kam. Ein großer Lastwagen näherte sich schwankend und schaukelnd auf dem holprigen Waldweg.
„Komm!“, forderte Tina ihre Freundin auf. „Den bringen wir zum Halten. Wir stellen uns ihm in den Weg, dann kann er nicht weiterfahren.“
Die beiden Pferde scheuten zunächst ein wenig, aber dann ließen sie sich gehorsam von ihren Reiterinnen lenken. Der Weg war nun blockiert und der Lastwagen musste anhalten. Der Motor erstarb, die Fahrertür wurde aufgemacht und ein Mann stieg aus. Bibi und Tina fanden ihn auf Anhieb unsympathisch.
„Ihh!“, zischte Tina halblaut. „So ein Anzugtyp! Sieht aus wie unser Direktor von der Penne! Was will der denn hier?“
„Werden wir gleich erfahren!“, flüsterte Bibi zurück. Sie sollte recht behalten.
„Was fällt euch denn ein?“ Der Fremde trat ein paar Schritte auf die beiden Reite- rinnen zu. „Gebt sofort den Weg frei!“
„Hier dürfen keine Autos fahren!“, erwiderte Tina kühl.
„Genau!“, pflichtete ihr Bibi bei. „Die Straße ist dahinten.“ Sie deutete mit der Hand nach Westen. „Was wollen Sie eigentlich hier?“
„Frechen Gören gebe ich keine Auskunft!“, kam es brummig zurück. „Geht’s hier lang zur Mühle?“
„Kann sein, kann auch nicht sein!“, meinte Bibi schnippisch. „Frechen Erwachsenen geben wir keine Auskunft!“
„Was wollen Sie bei der Alten Mühle?“, fragte Tina. „Die ist doch bloß noch eine Ruine, weiter ist da nichts.“
„Da wird aber bald was sein.“ Der Fremde warf sich in die Brust. „Ein Zeltlager nämlich. Ein Zeltlager mit fünfundsiebzig Kindern, sieben Betreuern und mir. Gestatten! Paul Pingel, Lagerleiter!“
„Ist ja toll!“ Tina machte eine wegwerfende Handbewegung. „Toll für Sie, Herr Pingel! Autofahren ist trotzdem hier verboten!“
„Nein! Nicht für mich!“ Paul Pingel machte auf dem Absatz kehrt und nahm wieder auf dem Fahrersitz des Lastwagens Platz. „Ich darf hier fahren! Also, macht den Weg frei!“
Tja, da blieb den beiden Mädchen nichts anderes übrig, als ihre Pferde an den Straßenrand zu lenken und den unsympathischen Herrn Pingel seiner Wege fahren zu lassen .
„Na, warte!“, schimpfte ihm Bibi halblaut hinterher. „Dir hexe ich was an: Eene meene dunkle Schatten ...“
„Nicht! Halt!“, fiel ihr Tina ins Wort. „Lass die Hexerei, Bibi. Mach bloß keinen Mist! Entschuldigung! Beinahe hätte ich was gesagt. Wir handeln uns damit nur Ärger ein. Vielleicht hat der Typ ja eine Sondergenehmigung und darf wirklich mit seiner Kiste durch den Wald fahren.“
„Schade!“ Bibi verzog schmollend den Mund. „Ich hätte ihm so gern einen Platten angehext. Auf allen vier Rädern!“
„Heb dir deine Sprüche für eine passendere Gelegenheit auf“, schlug Tina vor. „Ich glaube, unser Herr Pingel ist in offizieller Mission unterwegs. Sein Lastwagen hat zum Rotenbrunner Fuhrpark gehört. Schätze, er hat was mit der Gemeindeverwaltung zu tun.“
„Und nun?“ Bibi schaute ratlos drein.
„Weißt du was? Wir reiten rüber zum Schloss Falkenstein“, schlug Tina vor, „und fragen Alex, ob das stimmt mit dem Zeltlager. Wenn die ganze Bande im Falkensteiner Forst campen will, dann wird Alex was drüber wissen. Seinem Vater gehört ja hier alles, der ganze Wald und auch die Mühle. Eigentlich“, setzte sie ein wenig beleidigt hinzu, „hätte Alex uns ja schon informieren können, oder?“
„Hätte er!“, pflichtete Bibi ihrer Freundin bei. „Also los, statten wir deinem adligen Freund einen Besuch ab!“
Nach einem kurzen, scharfen Ritt erreich- ten Bibi und Tina das Schloss der Familie von Falkenstein. Der junge Herr Graf war geschniegelt und frisch gekämmt und sah sehr stattlich aus. Bei seinem Anblick stieß Tina einen leisen Seufzer aus.
„Hallo, ihr beiden!“, begrüßte Alexander freundlich die Mädchen. „Soll ich wieder mal den Schiedsrichter spielen für eines eurer Wettreiten?“ Er grinste spitzbübisch und kratzte sich umständlich am Kopf. „Al- so, wenn ihr mich fragt ... Ihr seid beide gleichzeitig angekommen!“
„Ach“, winkte Tina ab, „zum Wettreiten ist uns im Moment die Lust vergangen.“
„Aber echt!“, fügte Bibi hinzu. „Wir sind gerade so einem zickigen Typ begegnet, der mit ’nem Laster über die Forstwege brettert. Er wollte zur Alten Mühle ...“
„Heißt Pingel und pingelig schaut er auch aus!“ Tina verdrehte die Augen. „Den haben wir einfach angehalten.“
„Er hat was von einem Riesenzeltlager er- zählt, das er veranstalten will. Der hat sie wohl nicht mehr alle!“ Bibi tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
„Moment mal, Bibi“, wandte Alex argwöhnisch ein, „du hast ihm doch nicht etwa was angehext?“
Bibi schüttelte den Kopf.
„Zum Glück!“ Alexander von Falkenstein atmete erleichtert auf. „Das wäre gar nicht gut gewesen. Mein Vater hat den LKW-Transport nämlich erlaubt. Mit Sondergenehmigung bringt der Laster Gruppenzelte zu der großen Lichtung bei der Alten Mühle.“
„Was?“, rief Tina empört. „ Zu der schönen, stillen Lichtung? Da, wo seltene Pflanzen und Blumen blühen, da wollen die Rotenbrunner ...? Ja, was sag ich denn da?“ Vor Empörung verschlug es ihr die Sprache.
„Also, nun mal langsam!“ Jetzt war es Alex, der sauer reagierte. „Jahrelang hacken die Leute auf meinem Vater herum, sagen, dass er ein alter Knacker und spießiger Knauser ist, und jetzt, wo er was für die Allgemeinheit tut, ist es auch wieder nicht recht. Ihr könnt auch bloß meckern! Immer meckern!“ Alex wandte sich verärgert ab, ging ein paar Schritte und gab einem Kieselstein so einen gewaltigen Tritt, dass er ein paar Meter durch die Luft schoss. So! Jetzt war ihm wohler.
„Mensch, Alex, überleg doch mal“, wandte Bibi ein, „wenn da fünfundsiebzig Kinder alles zertrampeln, durch den Wald toben, Tiere aufscheuchen, an Vogelnester gehen, Äste und Zweige abbrechen, vielleicht sogar Abfall in die Gegend schmeißen ...“
„Jetzt bleib mal auf dem Teppich!“, fuhr Alex die kleine Hexe an. „Du übertreibst! Das Lager wird ordentlich aufgebaut, es gibt Abfallbehälter für den Müll und ein Sanitärzelt ist auch da. Das wird für die Kinder bestimmt eine lustige Sache.“
„Na, die können mir jetzt schon leid tun bei dem Lagerleiter!“ Tina schaute angewidert. „Pingel! Herr Pingel aus Rotenbrunn! Komm, Bibi, reiten wir heim, das Mittagessen wartet!“
Wortlos wendete die Martinstochter ihren Hengst und trabte an. Bibi tat es ihr nach und grußlos verließen sie das Schloss Falkenstein.
„Weiber!“, entfuhr es Alexander. Dann seufzte er kurz auf und ging in den Schlosshof zu den Reitställen. Die Arbeit wartete.
© 2010 SchneiderBuch verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Theo Schwartz
- Altersempfehlung: 8 - 99 Jahre
- 112 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,8 x 18,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Nach Ulf Tiehm
- Verlag: Schneiderbuch
- ISBN-10: 3505127574
- ISBN-13: 9783505127571
- Erscheinungsdatum: 08.03.2010
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